Der Angst ins Auge sehen

Wie überwinde ich meine Angst?

Das Gefühl der Angst kennt jeder Mensch. Alltägliche Ängste - zum Beispiel vor Prüfungen oder vor dem Zahnarzt - sind weit verbreitet, normalerweise können wir aber damit umgehen. In gefährlichen oder bedrohlichen Situationen ist Angst sogar lebenswichtig: Sie mobilisiert alle Energiereserven des Körpers, sodass wir blitzschnell mit „Kampf" oder „Flucht" reagieren können. Unsere Sinne werden geschärft, und wir verhalten uns aufmerksamer und vorsichtiger.

Angst ist in vielen Situationen eine hilfreiche Reaktion. Doch bei einigen Menschen tritt sie so übersteigert und häufig auf, dass sie den Betroffenen das Leben schwer macht.

Angst wird zur Krankheit, wenn sie

  • unangemessen stark oder anhaltend ist,
  • ohne ausreichenden Grund, d. h. ohne wirkliche Bedrohung auftritt,
  • nicht mehr kontrolliert oder ausgehalten werden kann,
  • Leid verursacht und/oder das Leben einschränkt.


Dauert dieser Zustand über Jahre an, kann es auch zu weiteren Begleiterkrankungen kommen - zum Beispiel zu einer Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit oder Depression. Experten schätzen, dass bis zu zehn Prozent der Bevölkerung an einer behandlungsbedürftigen Angststörung leiden.

Die häufigsten Angststörungen

Panikattacken treten plötzlich und ohne erkennbaren Anlass auf. Zu den körperlichen Symptomen gehören Herzklopfen, Schwindel, Brustschmerzen und Erstickungsanfälle. Oftmals haben die Betroffenen dabei Angst, einen Herzanfall zu erleiden. Meistens findet sich bei ärztlichen Untersuchungen keine körperliche Erkrankung, die diese Attacken erklärt. Wird die Panikstörung nicht entdeckt, bleiben Betroffene mit der Angst vor Wiederholung allein. In der Folge meiden sie Situationen, die ihnen risikoreich erscheinen.

Die Betroffenen leiden unter andauernden Ängsten, Sorgen und Befürchtungen, begleitet von vielfältigen Symptomen wie Unruhe, Schlafstörungen, Schwitzen, Herzrasen, Übelkeit und Schwindel. Unrealistische Befürchtungen beziehen sich auf viele Bereiche des Lebens. Mancher macht sich unablässig Sorgen darüber, dass dem Partner oder den Kindern etwas zugestoßen sein könnte. Nicht selten werden aufgrund der vielfältigen körperlichen Symptome ausschließlich Medikamente gegen Schlafbeschwerden oder Nervosität verordnet, die eigentliche Ursache bleibt unentdeckt.

Menschen mit Agoraphobie fürchten z. B., das Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten, in Menschenmengen und auf öffentlichen Plätzen zu sein, alleine mit Bahn, Bus oder Flugzeug zu reisen. Eine Panikstörung kommt als häufiges Merkmal bei gegenwärtigen oder auch zurückliegenden Episoden vor. Die Vermeidung der angstauslösenden Situation steht oft im Vordergrund, daher erleben einige Agoraphobiker weniger Angst, da sie die phobischen Situationen meiden können.

Erste Anzeichen äußern sich als ausgeprägte Schüchternheit und Zurückhaltung. Sie setzen schleichend bereits in der frühen Jugend ein. Betroffene leiden unter unangemessenen Ängsten vor sozialen Situationen. Sie fürchten sich zum Beispiel, vor anderen Menschen zu sprechen oder im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Massive Panikreaktionen treten selten auf.

Hier handelt es sich um Angst vor bestimmten Tieren (z. B. Spinnen), Objekten (z. B. enge Räume, Tunnel) oder Situationen (z. B. Höhen), Panikreaktionen kommen selten vor. Wie bei allen phobischen Störungen treten in Erwartung oder beim tatsächlichen Eintreffen der befürchteten Situation körperliche Reaktionen wie Herzklopfen, Zittern und Schwitzen auf. Die Vermeidung auslösender Situationen steht im Vordergrund..

Menschen mit Angststörungen leiden unter einer erheblichen Verminderung ihrer Lebensqualität. Sie erfahren einen Angstanfall als extrem bedrohlich und unangenehm und vermeiden auslösende Situationen: Ein Teufelskreis aus Befürchtung und Vermeidung entsteht. Manche sind so stark in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt, dass ihr Leben von der Angst bestimmt wird. Menschen, die unter einer Agoraphobie leiden, sind im schlimmsten Fall nicht mehr in der Lage, ihre Wohnung zu verlassen. Andere fühlen sich wie gelähmt, weil sie fürchten, dass jeden Moment etwas Schreckliches passieren könnte. Auch wenn sie wissen, dass ihre Angst unrealistisch ist, drängen sich unwillkürlich immer wieder neue und erschreckende Gedanken auf. Das führt zu Gefühlen von Hilflosigkeit, permanenter Nervosität und vegetativen Beschwerden. Ohne psychotherapeutische Hilfe ist ein Entkommen aus diesem Kreislauf von Sorgen und Angst kaum möglich.

Die Ursachen für Angststörungen können aus sehr komplexen seelischen Konflikten resultieren und bei jedem Patienten völlig anders gelagert sein. Während die Psychoanalyse ihre Entstehung vorwiegend in der Kindheit sucht, geht die Lerntheorie von angelerntem Verhalten aus. Auch genetische Faktoren werden diskutiert.

Bei einem Verdacht auf eine Angststörung müssen zunächst organische Ursachen ausgeschlossen werden, denn manche Symptome körperlicher Erkrankungen äußern sich identisch. Insbesondere bei den Phobien hat sich die Verhaltenstherapie als erfolgreich bewährt. Hier werden Patienten unter fachlicher Begleitung schrittweise mit den Auslösern konfrontiert, bis sich Routine einstellt und die Angst überwunden ist. Der Patient lernt, mit den angstauslösenden Situationen umzugehen, und erlebt sie nicht länger als bedrohlich.

Auch die vorübergehende Einnahme von Medikamenten während der Therapie kann helfen. Entspannungstechniken wie autogenes Training werden häufig begleitend eingesetzt.

Ein erster Schritt, der Angst zu begegnen, ist ein offenes Gespräch darüber. Bei leichten Störungen stellt die langsame und schrittweise Annäherung an die auslösende Situation eine Möglichkeit dar zu erfahren, dass keine Bedrohung von ihr ausgeht. Menschen, die ihre Angst nicht allein in den Griff bekommen, sollten sich nicht scheuen, professionelle Hilfe aufzusuchen. Mit einer gezielten Gesprächs- oder Verhaltenstherapie kann vielen Betroffenen nach oft jahrelangem Leidensdruck geholfen werden.